Radverteiler Grabenring
Beschlussvorschlag:
Das Bürgerforum nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt den be-schlussfassenden Gremien Bezirksvertretung Aachen-Mitte und Mobilitätsausschuss die Ausführun-gen des Antragstellers und die Beratungsergebnisse des Bürgerforums bei den weiteren Beratungen zu berücksichtigen.
Erläuterungen:
Anlass
Mit dem Antrag gem. § 24 GO NRW bittet der Antragsteller das dargestellte Verkehrs- und Gestal-tungskonzept des Grabenrings als Radverteilerring des Rad-Vorrang-Netzes zu bewerten und zu disku-tieren sowie im Rahmen der weiteren Planung der Stadt zu berücksichtigen (s. Anlage 1). Die einge-brachten Vorschläge beziehen sich auf eine fahrradfreundliche und bestandsorientierte Umgestaltung des Grabenrings. Neben dem abschnittsweisen Einsatz von Fahrradstraßen auf dem Grabenring, führt das Konzept mit der „kleinen Hauptstraße“ ein neues Element ein. Hierbei sollen sehr breite Schutz-streifen mit einer sehr schmalen Kernfahrbahn kombiniert werden. Der Antragsteller stellt dieses Kon-zept sowohl konzeptionell als auch konkret am Beispiel der einzelnen Abschnitte des Grabenrings dar.
Sachstand Radverteilerring
Am 12.09.2019 hat der Mobilitätsausschuss die Umsetzung des Aachener Rad-Vorrang-Netzes be-schlossen. Als Verknüpfung der einzelnen radial in die äußeren Stadtbezirke verlaufenden Routen soll der Grabenring im Zentrum dienen. In einer Vorunteruntersuchung zur Ertüchtigung des Grabenrings als Radverteilerring hat die Verwaltung die Voraussetzungen und Potenziale der fahrradfreundlichen Umgestaltung auf den einzelnen Abschnitten des Grabenrings aufgezeigt. Zur Verringerung der Kfz-Verkehrsmengen und somit zur Ermöglichung von objektiv und subjektiv sicheren Führungsformen für den Radverkehr (in den jeweiligen Straßenraumbreiten) wurden verschiedene Unterbrechungen des Kfz-Netzes auf dem Grabenring untersucht. Der Auftrag zur Konkretisierung des Konzeptes wurde am 01.07.2021 beschlossen. Das Thema der veränderten Erschließung der Innenstadt wird derzeit auch im Rahmen eines umfangreichen Planungs- und Beteiligungsprozesses auf Grundlage des Ratsantrages 32/18 „Lebenswerte Innenstadt“ aufgegriffen.
In der Voruntersuchung zur Ertüchtigung des Grabenrings als Radverteilerring wurden die abschnitts- und stufenweise Umsetzung wie folgt beschrieben:
Stufe 1
- Templergraben / Karlsgraben
- Kapuzinergraben
Stufe 2
- Löhergraben / Alexianergraben
- Seilgraben / Hirschgraben
Stufe 3
- Elisenbrunnen / Peterstraße / Kurbrunnenstraße
- Driescher Gässchen / östlicher Templergraben
Die laufenden Planungen der einzelnen Abschnitte sind zum Teil mit umfangreichen Abstimmungs- und Beteiligungsprozessen verbunden. Um diese zu beschleunigen, ist die Vergabe von Aufträgen an Externe in Vorbereitung. Einzelne zügiger umsetzbare Maßnahme werden im Rahmen aktueller bzw. kommender baustellenbedingter Wiederherstellungen der Straßenoberfläche vorgezogen.
Die Umgestaltung des Driescher Gässchens / östlichen Templergrabens ist durch das Reallabor am Templergraben und eine vorgezogene Asphaltsanierungsmaßnahme bereits niederschwellig möglich. Eine entsprechende politische Beratung ist für Ende 2022 bzw. Anfang 2023 in den Entscheidungs-gremien vorgesehen. Weiterhin gibt es Überlegungen abschnittsweise Änderungen in der Radver-kehrsführung (z.B. in der Peterstraße) zu testen und somit bereits kurzfristig Fortschritte in der Umge-staltung des Grabenrings als Radverteilerring zu erzielen.
Fachliche Einschätzung des Verkehrs- und Umgestaltungskonzeptes
Das dem Antrag zu Grunde liegende Verkehrs- und Umgestaltungskonzept des Grabenrings als Rad-verteilerring basiert auf einer umfangreichen und nachvollziehbaren Grundlagenrecherche sowie einer detailreichen Auseinandersetzung mit den einzelnen Straßenräumen auf dem Grabenring.
Die vorgelagerte Abschnittseinteilung des Grabenrings zur Anwendung von unterschiedlichen Elemen-ten der Radverkehrsführung basiert auf den Erkenntnissen aus der Voruntersuchung der Verwaltung.
Der abschnittsweise Einsatz des Elements der Fahrradstraße ist auch Bestandteil des städtischen Konzeptes für den Radverteilerring bei entsprechend vorherrschenden Rahmenbedingungen. Die vom Antragsteller vorgeschlagene Umgestaltung des Friedrich-Wilhelm-Platzes (vor dem Elisenbrunnen) zur Fahrradstraße müsste allerdings mit einer Änderung der verkehrlichen Rahmenbedingungen einherge-hen. Da der Einsatz einer Fahrradstraße entsprechend der ERA 2010 nur „bei geringem Linienbusver-kehr“ gewählt werden sollte, ist dieser Straßenabschnitt mit einer Busverkehrsmenge von über 1.500 Bussen pro Tag kaum für die Ausweisung einer Fahrradstraße geeignet. Dahingegen kann die vorge-schlagene Sortierung des Straßenraums mit einer Fahrgasse in Mittellage und klar definierte Seitenbe-reiche für die haltende Busse eine zweckmäßige Straßenraumaufteilung sein, unabhängig von der verkehrsrechtlichen Ausweisung.
Kern des vorgelegten Konzeptes stellt die Neueinführung des Elementes „kleine Hauptverkehrsstraße“ dar. Dieses soll auf weiten Teilen des Grabenrings eingesetzt werden. Hierbei soll die Radverkehrsfüh-rung auf „verkehrsberuhigten breiten roten Schutzstreifen“ erfolgen. In dem Konzept wird der Einsatz-bereich in Kombination mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und 3.000 bis 10.000 (max. 16.000) Kfz pro Tag definiert. Durch einer Breite der Schutzstreifen von 2,00 m bis 2,50 m soll das Nebeneinanderfahren von Radfahrenden ermöglicht und durch entsprechende schmale und ge-pflasterte Kernfahrbahnen eine verkehrsberuhigende Wirkung erzielt werden. Die Ausführungen basie-ren im Wesentlichen auf dem Einsatz und die Gestaltung von „fietsstroken“ in den Niederlanden.
Wie auch der Antragsteller aufführt, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Schutzstreifen in Deutschland von denen in den Niederlanden zu unterscheiden und widersprechen aktuell der Grundidee des Elements der verkehrsberuhigten breiten Schutzstreifen: Nach der VwV-StVO zu §2 Absatz 4 Satz 2 darf die Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugver-kehr nur in seltenen Fällen erforderlich sein. Zudem müssen sich auf der Kernfahrbahn (der Fahrbahn-teil zwischen den Schutzstreifen) zwei Personenkraftwagen gefahrlos begegnen können.
Am Beispiel des Entwurfs der Querschnittsaufteilung am Alexianergraben zeigt sich, dass diese recht-lichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Bei einer Kernfahrbahnbreite von ca. 2,8 m ist die Be-gegnung von zwei Kfz nicht möglich, die Mitbenutzung des Schutzstreifen wäre daher nicht nur in sel-tenen Fällen, sondern im Falle der Begegnung dauerhaft notwendig.
Unabhängig von den nicht gegebenen rechtlichen Voraussetzungen ist das vom Antragsteller benann-te hohe subjektive Sicherheitsempfinden für Radfahrende bei dem Einsatz von verkehrsberuhigten breiten roten Schutzsteifen auf Teilen des Grabenrings zu diskutieren. Hierbei sind verschiedene be-einflussende Faktoren wie z.B. die Verkehrsmenge und -zusammensetzung sowie die Topographie und angrenzende Nutzung zu berücksichtigen. Insbesondere bei einer hohen (Bus-)Verkehrsstärke ist der Bedarf nach einer (baulich) getrennten Radverkehrsanlage zur Schaffung eines hohen subjektiven Sicherheitsniveaus zielführend. Aus diesem Grund sollen entsprechend der ERA 2010 bei hohem Schwerverkehrsaufkommen grundsätzlich auf die Anlage von Schutzstreifen verzichtet werden. Auch in den Niederlanden werden Schutzstreifen mit einer schmalen Kernfahrbahn innerorts in der Regel nur auf höher belasteten „erftoegangswegen“ (= niedrigste Straßenkategorie, in etwa „Wohnstraßen“) oder auf schwach belasteten Straßen außerorts eingesetzt (vgl. CROW, Aanbevelingen fiets- en kantstro-ken 2015).
Fazit
Das vom Antragsteller ausgearbeitete Papier bietet einen wertvollen Impuls für die weiteren Planungen und Beratungen zur Ertüchtigung des Grabenrings als Radverteilerring. Insbesondere das Element der „kleinen Hauptverkehrsstraße“ ist in der vorgeschlagenen Ausführung aktuell rechtlich jedoch nicht umsetzbar. Darüber hinaus wäre tiefgehender zu analysieren, ob der Einsatz von breiten roten Schutz-streifen mit einer verbleibenden sehr schmalen Kernfahrbahn auf dem Grabenring die Belange aller Verkehrsteilnehmer ausreichend berücksichtigt. Die detailreiche Auseinandersetzung mit dem Thema Schutzstreifen und dem damit verbunden subjektiven Sicherheitsempfinden des Radverkehrs bietet eine gute Grundlage für die fachliche Diskussion für den Einsatz und Ausgestaltung (insbesondere hinsichtlich der Breite) von Schutzstreifen in Aachen unter Berücksichtigung der gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen.